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Intelligentes Energiemanagement: Lasten steuern, Kosten drücken

Deutschlands Unternehmen spüren es täglich: Energie bleibt ein Kosten- und Risikofaktor. Wer nur auf den Energiepreis schaut, lässt jedoch einen der größten Hebel ungenutzt. Intelligentes Energiemanagement bedeutet, Lasten aktiv zu steuern, Lastspitzen zu vermeiden und Beschaffung, Eigenversorgung sowie Tarife auf die tatsächliche Lastkurve abzustimmen. Das Ergebnis sind messbare Einsparungen beim Leistungspreis, niedrigere Profil- und Risikozuschläge, weniger Blindleistungskosten und eine robustere Energieversorgung.

Industriebetrieb mit visualisierter 15-Minuten-Lastkurve über eine Woche. Markierte rote Spitzen zeigen die ursprünglichen Lastspitzen, darüber eine geglättete Kurve in Blau, die Peak Shaving durch Laststeuerung, Batteriespeicher und Verschiebung von Prozessen illustriert.

Warum Lastmanagement 2025 den Unterschied macht

  • Netzentgelte und Leistungspreise sind für RLM-Kunden eine Hauptkostengröße. Jede 15-Minuten-Spitze wirkt sich auf den jährlichen Leistungspreis aus.
  • Volatile Großhandelspreise und steigende Netzkosten erhöhen den Wert flexibler Lasten. Wer Prozesse verschieben oder glätten kann, senkt nicht nur Kosten, sondern reduziert auch Beschaffungsrisiken.
  • Diskussionen um dynamischere Netzentgelte und Flexibilitätsmärkte erhöhen die Prämie für planbares Lastverhalten. Die Bundesnetzagentur betont seit Jahren die Rolle effizienter Netznutzung und Flexibilität, Informationen dazu finden Sie bei der Bundesnetzagentur.
  • Regulatorisch wächst der Druck, Energiemanagement strukturiert aufzusetzen. Rahmenwerke wie ISO 50001 und nationale Regelungen, etwa das beim BMWK aufgeführte Energieeffizienzrecht, fördern datenbasiertes, kontinuierliches Verbessern.

Die wichtigsten Kostenhebel durch Laststeuerung

Hebel Mechanismus Maßgröße Typischer Effekt
Peak Shaving Begrenzung der 15-Minuten-Höchstlast kW im Messintervall Senkt Leistungspreise und Netzkapazitätskosten
Peak Shifting Verschieben energieintensiver Schritte in günstigere Zeiten Produktions- und Schichtplanung Reduziert Spitzen, verbessert Beschaffungskonditionen
Time-of-Use Optimierung Nutzung günstiger Börsenzeiten bei Index- oder Hybridverträgen Day-Ahead, Intraday Senkt Arbeitspreisanteil bei flexiblen Prozessen
Eigenverbrauchssteuerung PV, KWK, Speicher gezielt zur Spitzenkappung einsetzen Last- und Erzeugungsprognose Erhöht Eigenverbrauch, mindert Netzbezug in Spitzen
Blindleistungsmanagement Leistungsfaktor verbessern, Blindstromkosten vermeiden cos phi, kvar Reduziert Netzentgelte und Pönalen für Blindarbeit
Vertrags- und Tariffit Tarife, Netzentgelt-Sonderformen, Messkonzept an Profil anpassen Vertragsklauseln, § 19 Themen Bessere Netzentgelte bei atypischer Nutzung, sauberere Abrechnung

Hinweis: Die Effekte hängen stark von Branche, Standortnetzbetreiber, Vertragswerk und technischer Flexibilität ab.

Praxis: So identifizieren Sie steuerbare Lasten

  1. Datengrundlage sichern: RLM-Daten im 15-Minuten-Raster, mindestens 12 Monate. Ergänzend Prozessdaten, Schichtpläne und Wartungsfenster sammeln.
  2. Lastanalyse durchführen: Wochen- und Tagesprofile, Wiederholmuster, Korrelationen mit Produktion und Wetter. Typische Spitzenzeiten und Treiber identifizieren.
  3. Lastkandidaten clustern: Was ist hart notwendig, was verschiebbar, was unterbrechbar und wie lange. Technische und Qualitätsgrenzen dokumentieren.
  4. Restriktionen definieren: Minimal- und Maximalleistungen, Start-Stopp-Zyklen, An- und Abfahrzeiten, Produktausbeute, Qualitätsvorgaben, Arbeitsschutz.
  5. Steuerungsziele festlegen: Maximal zulässige Viertelstundenlast, Zielbudget je Standort, CO2- und Produktionsziele, Servicelevel für Kundentermine.

Typische Flexibilitäten aus der Praxis:

  • Druckluft und Kälte mit Speichern oder größerem Pufferbetrieb
  • Lüftung, Pumpen, Rührwerke mit Drehzahlregelung und Lastgrenzen
  • E-Öfen, Galvanik, Waschen, CIP, Trocknung, wenn zeitlich verschiebbar
  • Warmwasser- und Dampferzeugung mit thermischen Speichern
  • E-Mobilität und Flurförderzeuge, gesteuertes Laden mit Leistungsgrenzen
  • Rechenleistung und IT-Lasten, Batch-Prozesse in Nebenzeiten

Strategien im Überblick

Peak Shaving

Über Regelwerke oder Algorithmen wird eine Standort-Maximalleistung eingehalten. Bei Annäherung an den Grenzwert werden vordefinierte Verbraucher gedimmt, verschoben oder ersetzt, zum Beispiel durch Batteriestrom oder kurzzeitigen KWK-Boost.

Peak Shifting

Zeitkritische Schritte bleiben unangetastet, nicht kritische werden in preis- und netzfreundliche Zeitfenster verschoben. Gute Planung nutzt Produktions- und Personaldisposition, um Qualität und Termine einzuhalten.

Time-of-Use und Indexoptimierung

Bei Spot- oder Hybridverträgen werden teure Stunden gemieden und günstige genutzt, soweit es Prozesse erlauben. Voraussetzung sind valide Prognosen und klare Regeln, damit die Produktion nicht leidet.

Eigenverbrauchsoptimierung

PV, KWK oder Abwärmenutzung werden so gefahren, dass Netzbezugsspitzen gekappt und die Eigenerzeugung maximal in teuren Zeiten genutzt wird. Speicher können kurze Lastsprünge abfedern.

Blindleistung im Griff

Ein zu niedriger Leistungsfaktor verursacht Kosten. Kondensatorbänke, aktive Kompensation und optimierte Antriebsregelungen vermeiden Blindarbeit und entlasten das Netz.

Technik-Bausteine für intelligentes Energiemanagement

  • Mess- und Datenebene: RLM-Stromzähler, Gas- und Wärmemessung, Submetering für Hauptverbraucher, sichere Datenerfassung in Echtzeit.
  • Prognose: Kurzfristprognosen für Last und Erzeugung, Wetter- und Produktionsplanung als Input.
  • Regelwerk und Prioritäten: Klar definierte Abschalt- und Dimmreihenfolge, Freigaben aus Produktion und Qualität.
  • Orchestrierung: Energiemanagementsystem oder Leitsystem, das Lasten, Speicher, Erzeuger und gegebenenfalls Ladeinfrastruktur koordiniert.
  • Schnittstellen: Integration in BMS, SCADA, ERP und Instandhaltung, transparente Bedienung für Schichtführer.
  • Sicherheit und Compliance: IT-Security, Dokumentation der Maßnahmen, Vertrags- und Netzvorgaben einhalten.

Wer bereits ein Managementsystem betreibt, findet in unserem Beitrag Energiemanagement 2025, Kosten senken, Risiken minimieren vertiefende Hinweise zu Governance, Daten- und Prozessdesign.

Regulatorik und Tarife, was 2025 zu beachten ist

  • ISO 50001 und Energieauditpflichten regeln Prozesse und Nachweise, Details liefert die ISO 50001 und das BMWK.
  • Netzentgelte und Sonderformen der Netznutzung können für große Verbraucher relevant sein. Informationen zur Netznutzung stellt die Bundesnetzagentur bereit.
  • Messkonzepte, insbesondere bei Eigenversorgung und Speichern, müssen mit Netzbetreiber und Lieferant abgestimmt sein, sonst drohen Fehlabrechnungen.
  • Vertragsfit: Bei Index- und Hybridmodellen sind Fahrpläne, Toleranzen, Profil- und Ausgleichsenergiekosten sauber zu regeln. Unser Überblick Energieeinkauf, Modelle, Chancen, Risiken hilft bei der Auswahl.

Rechenbeispiel, wie Spitzen kW in Euro werden

Ausgangslage, verarbeitende Industrie, RLM, jährliche Höchstlast 2.800 kW. Leistungspreis am Standort 90 Euro je kW pro Jahr, nur als Beispiel, regional stark unterschiedlich.

  • Peak Shaving Ziel: Reduktion der Viertelstundenspitze um 300 kW durch Prozessverschiebung, Kältepuffer und zeitweises Drosseln nicht kritischer Antriebe.
  • Direkter Hebel Leistungspreis: 300 kW mal 90 Euro ergibt 27.000 Euro pro Jahr.
  • Zusatzeffekte: geringere Profilzuschläge in der Beschaffung durch flachere Lastkurve, Einsparung Blindstromkosten nach Kompensation, bessere Nutzung von PV-Strom in teuren Stunden. Diese Effekte sind standort- und vertragsabhängig.
  • Invest und Betrieb: Einfache Regelung und Pufferanpassungen amortisieren sich häufig schnell, größere Speicher oder Antriebsmodernisierungen benötigen eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Wichtig ist die belastbare Datengrundlage, saubere Annahmen zu Produktionsgrenzen und ein kontrollierter Rollout. Ein PoC über einige Wochen schafft Klarheit über reale Einsparungen und Machbarkeit.

30-Tage-Schnellstart ohne Produktionsrisiko

  1. Datenzugang klären, RLM- und Submeterdaten einsammeln, Dashboards erstellen.
  2. Lasttreiber identifizieren, Top 5 Verbraucher und wiederkehrende Spitzen benennen.
  3. No-regret Maßnahmen definieren, Leistungsgrenzen und Softstart-Profile in bestehenden Regelungen setzen, Blindleistung prüfen.
  4. Pilotregeln aktivieren, Zielkorridor für Maximalleistung festlegen, wöchentlicher Review mit Produktion.
  5. Business Case dokumentieren, erste Einsparungen quantifizieren, Investpfad für größere Hebel vorbereiten.

Häufige Fallstricke, die Kosten treiben

  • Peak Shaving wird allein über Abschaltungen gelöst, ohne Wirkung auf Produktion und Qualität zu prüfen.
  • Fehlender Schulterschluss zwischen Energie, Produktion und Instandhaltung, Regeln werden im Tagesgeschäft umgangen.
  • Zu komplexe Steuerungen ohne klare Prioritäten, Bediener greifen in Panik manuell ein.
  • Messkonzepte und Verträge passen nicht zur Realität, Abrechnungen enthalten Pönalen und Profilzuschläge.
  • Blindleistung und Anlaufströme werden unterschätzt, neue Spitzen entstehen durch ungünstige Startzeiten.

BVGE, Partner für intelligentes Energiemanagement

Der BVGE e. V. vertritt gewerbliche Energienutzer in Deutschland. Über die BVGE Consulting GmbH unterstützen wir Unternehmen aller Größen bei Energieeinkauf und Energiemanagement, unabhängig und lieferantenneutral. Von der Lastanalyse und Peak-Shaving-Regelung bis zu Beschaffung, Vertragsprüfung und Umsetzung bieten wir praxisnahe, kosteneffiziente Lösungen. Mehr Hintergründe und Modelle finden Sie im Leitfaden Energieeinkauf, Modelle, Chancen, Risiken.

Energieverantwortliche Person in einer industriellen Leitwarte betrachtet ein Dashboard mit Live-Lastkurven, Leistungsgrenzen, PV-Erzeugung und Batteriespeicherstatus. Im Hintergrund Produktionshalle mit Pumpen, Kompressoren und Lüftungsanlagen.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet Lastmanagement von klassischem Energiesparen? Lastmanagement verschiebt oder glättet Leistung, um Spitzen zu vermeiden und günstige Zeiten zu nutzen. Energiesparen reduziert den absoluten Verbrauch. Beides ergänzt sich, zielt aber auf unterschiedliche Kostenarten.

Brauche ich einen Batteriespeicher, um Peak Shaving zu betreiben? Nicht zwingend. Viele Spitzen lassen sich über Regelung, Puffer und Prozessverschiebung reduzieren. Speicher erhöhen Spielraum und Geschwindigkeit, sind aber kein Muss.

Wie schnell sind die Effekte sichtbar? Erste Effekte sehen Unternehmen oft binnen weniger Wochen, wenn klare Maximalleistungen gesetzt und Regeln umgesetzt werden. Strukturelle Maßnahmen und Investitionen benötigen mehr Zeit, zahlen dann aber stabil auf Leistungspreise und Beschaffung ein.

Welche Daten sind Pflicht? RLM 15-Minuten-Daten, Schicht- und Produktionsplanung sowie Zustandsdaten der Hauptverbraucher. Ohne diese Basis bleibt Lastmanagement unscharf.

Lohnt sich Lastmanagement bei kleineren Standorten? Ja, sofern Leistungspreise, Blindarbeit oder variable Tarife relevant sind. Die Umsetzung ist schlanker, der Business Case hängt jedoch von Netzentgelten und Flexibilität ab.

Wie bleibt die Produktion sicher? Durch klare Prioritäten, Freigabeprozesse mit Produktion und harte Grenzen für qualitätsrelevante Aggregate. Ein gut gemachtes Regelwerk verhindert unzulässige Eingriffe.


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