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Einführung Energiemanagement: Checkliste für den schnellen Start

Die meisten Unternehmen haben keine Zeit für langwierige Konzepte, sie brauchen schnelle Transparenz und messbare Entlastung bei Kosten und Risiken. Genau dafür ist dieser Leitfaden gedacht: Er liefert eine kompakte, praxistaugliche Checkliste, mit der Sie Ihr Energiemanagement in wenigen Wochen auf belastbare Beine stellen und parallel erste Einsparungen realisieren.

Ein Produktionsteam prüft an einem Whiteboard eine Energiemanagement-Checkliste, daneben ein Laptop mit einem 15-Minuten-Lastgang-Diagramm, im Hintergrund Industriehalle mit Kompressoren und LED-Beleuchtung.

Warum jetzt handeln

  • Energiepreise bleiben 2025 volatil, Netzentgelte und Leistungspreise sind ein zentraler Kostentreiber.
  • Regulatorische Anforderungen nehmen zu. In Deutschland verlangt das Energieeffizienzgesetz, dass große Verbraucher Energieeinsparungen systematisch identifizieren und ein Managementsystem implementieren oder entsprechende Maßnahmen nachweisen. Das steht im Kontext der europäischen Energieeffizienzrichtlinie Directive (EU) 2023/1791. Einen Überblick zum EnEfG bietet das BMWK.
  • Ein strukturiertes Energiemanagement, orientiert an ISO 50001, schafft Governance, Datenqualität und Priorisierung. Wer tiefer einsteigen will, findet einen auditfesten Aufbauplan im BVGE‑Beitrag Aufbau eines Energiemanagementsystems.

Was Sie mit dieser Checkliste erreichen

  • Innerhalb von 30 Tagen eine belastbare Datengrundlage und erste operative Hebel.
  • In 60 bis 90 Tagen ein mini‑stabiles Energiemanagement mit KPIs, Reporting und priorisiertem Maßnahmenportfolio.
  • Klarheit, was intern machbar ist und wo externe Unterstützung Kosten und Zeit spart.

12‑Punkte‑Checkliste für den schnellen Start

  1. Mandat und Ziele sichern, Geschäftsführung benennt Verantwortliche und gibt ein knappes Mandat mit 3 klaren Zielen frei, zum Beispiel Leistungsspitzen senken, 15 Prozent Transparenzlücke schließen, Top‑3 Anlagen optimieren.
  2. Datenzugang klären, Lieferverträge und Netznutzungsdaten, RLM‑Lastgänge im 15‑Minuten‑Raster, SLP‑Verbräuche, Zählerstände, Rechnungen und Preisbestandteile der letzten 12 bis 24 Monate einsammeln und zentral ablegen.
  3. Zähler‑ und Anlageninventar erstellen, alle Haupt‑ und Unterzähler, wesentliche Verbraucher, Betriebszeiten, Nennleistungen und Verantwortlichkeiten in einer einfachen Liste mit eindeutiger ID dokumentieren.
  4. Minimalen Messplan aufsetzen, 3 bis 5 Unterzähler dort ergänzen, wo Blindspots die größten sind, zum Beispiel Druckluft, Kälte, größte Produktionslinie, Gebäudehauptverteilung und Spitzenlastrelais.
  5. Baseline und EnPIs definieren, Referenzzeitraum wählen, Witterung und Auslastung berücksichtigen, einfache EnPIs je Bereich festlegen, zum Beispiel kWh pro Stück, kWh pro Betriebsstunde, kW Spitzenlast.
  6. Maßnahmen‑Backlog anlegen, jede Idee mit grober Wirkung, Aufwand, Risiko, M&V‑Methode und Verantwortlichen versehen und wöchentlich priorisieren.
  7. Lastmanagement sofort starten, Anfahrzeiten glätten, gleichzeitigen Betrieb großer Verbraucher entzerren, Spitzenkappung testen und Regeln dokumentieren, Details und Rechenwege im BVGE‑Leitfaden Lastmanagement: Spitzen kappen, Kosten senken.
  8. Beschaffung und Tarife prüfen, Leistungspreise, Netzentgelte, Blindleistungsentgelte und Preismodelle checken, Optionen für Hybrid‑ oder Indexmodelle abwägen, siehe Energieeinkauf im Überblick.
  9. KPI‑Set und Reporting einführen, wöchentlich 1‑Seiten‑Report mit Verbrauch, Spitzenlast, Abweichungen zur Baseline, Top‑3 Maßnahmenstatus, Warn‑ und Eskalationsregeln für Abweichungen festlegen.
  10. Prozesse und Verantwortlichkeiten verankern, kurzer PDCA‑Rhythmus, wöchentliche 30‑Minuten‑Runde, monatliche Review mit Geschäftsführung, klare Entscheidungsschwellen für CapEx und Regeländerungen.
  11. Compliance sauber abbilden, Dokumente versionieren, Audit‑Trail pflegen, Anforderungen aus EnEfG, EDL‑G und ISO 50001 mitschreiben und parallel zur Umsetzung nachziehen.
  12. Tool‑Stack pragmatisch wählen, Start mit vorhandenen Systemen und, wenn nötig, schlankem Open‑Source‑Stack für Visualisierung und Alarme, Details und Optionen im Beitrag Open‑Source‑Energiemanagement: Vorteile und Einsatz.

30‑60‑90‑Tage‑Plan auf einen Blick

Phase Ziel Kernaufgaben Ergebnis
0 bis 30 Tage Transparenz und Soforthebel Datenzugang, Inventar, Baseline, KPI‑Set, Lastmanagement‑Regeln, erste Unterzähler Erstes Einsparsignal, wöchentlicher Report, klarer Maßnahmen‑Backlog
31 bis 60 Tage Stabilisierung und Priorisierung M&V je Maßnahme, Beschaffungs‑Quick‑Check, Betreiberregeln je Anlage, Alarmierung Priorisierte Top‑10 mit Business Case, reduzierte Spitzenlast, weniger Blindleistung
61 bis 90 Tage Skalierung und Verankerung Mini‑Auditlauf gegen ISO 50001, CapEx‑Roadmap, Trainings, monatliches Steering Mini‑stabiles EnM, auditfeste Artefakte, Plan für das nächste Quartal

Vertiefende Roadmaps für größere Produktionsstandorte finden Sie im BVGE‑Beitrag Industrielles Energiemanagement: Roadmap zur Effizienz.

Minimaler Mess‑ und Datenplan

Eine solide Datengrundlage ist der stärkste Beschleuniger. Starten Sie mit dem, was ohne großen Eingriff verfügbar ist, und ergänzen Sie gezielt.

Quelle Was wird benötigt Woher kommt es Hinweis
RLM‑Zähler Strom 15‑Minuten‑Lastgänge, Leistungsspitzen, Arbeit Netzbetreiberportal oder Lieferant Unbedingt Zeitstempel und Zeitzone prüfen
Gas RLM oder SLP Stündliche Lastgänge oder Monats‑SLP mit Gradtagen Netzbetreiber, Lieferant Für SLP Wetternormalisierung vorsehen
Rechnungen Preisbestandteile, Netzentgelte, Leistungspreise, Blindleistungsentgelte Buchhaltung, Lieferantenportal Für Nebenkosten Benchmark anlegen
Anlagenlaufzeiten Betriebsstunden, Anfahrzyklen Leitwarte, BDE/MES, Schichtbücher Für Lastmanagement und EnPIs nutzen
Unterzähler Druckluft, Kälte, größte Linie Neu installiert oder bereits vorhanden Mit eindeutigen IDs in Inventar aufnehmen

EnPIs und KPIs für den Alltag

Bereich EnPI/KPI Zweck Trigger
Standort kW 15‑Minuten‑Peak vs. Ziel Leistungspreise senken Peak größer als 95 Prozent des Zielkorridors
Produktion kWh pro Einheit vs. Baseline Effizienz von Linien messen Abweichung größer als 5 Prozent
Infrastruktur kWh pro Betriebsstunde Kompressor Leckagen und Lastverschiebung Trend verschlechtert sich 3 Tage in Folge
Einkauf All‑in‑kWh‑Kosten vs. Budget Budgetsteuerung Forecast überschreitet Budget um 3 Prozent
Netz Blindleistungsquote cos phi Blindleistungsentgelte vermeiden cos phi kleiner als 0,9

Wer ein vollständiges KPI‑Set und Prozessvorlagen sucht, wird im Überblicksartikel Energiemanagement 2025: Kosten senken, Risiken minimieren fündig.

Quick Wins im ersten Monat

Lastspitzen glätten

Mit einfachen Regeln für gleichzeitige Anfahrten, Verschiebung energieintensiver Schritte in Nebenzeiten und einer konservativen Spitzenkappung lassen sich Leistungspreise oft rasch entlasten. Vorgehen und Rechenwege zeigt der Leitfaden Lastmanagement: Spitzen kappen, Kosten senken.

Druckluft unter Kontrolle

Druckniveau um 0,2 bis 0,3 bar senken, Leckage‑Jagd in Schichtübergaben verankern, Kompressorenfahrplan mit Produktionsplanung abstimmen, Messung kWh pro m³ als EnPI einführen.

Temperatur‑ und Lüftungs‑Setpoints

Setpoints prüfen, Nacht‑ und Wochenendbetrieb reduzieren, Freigaben für Ausnahmen klar regeln und kontrollieren.

Blindleistung und Phasen unsauber?

Blindleistungsentgelte in Rechnungen identifizieren, cos phi überwachen, Kompensationsanlage prüfen und warten.

Beschaffungskonditionen checken

Preisbestandteile und Vertragsklauseln auf Optimierungspotenzial prüfen, Alternativen wie Hybrid‑, Tranchen‑ oder Indexmodelle bewerten, Grundlagen im Beitrag Energieeinkauf im Überblick. Für strukturierte Begleitung siehe Beratung Energieeinkauf.

Nahaufnahme eines digitalen RLM‑Stromzählers in einem Schaltschrank, ein Energieberater hält ein Klemmbrett mit Messstellenliste und QR‑Code‑Aufklebern zur Zählererfassung.

Compliance‑Kompass 2025 in Kürze

  • ISO 50001 liefert den international anerkannten Rahmen für ein Energiemanagementsystem mit Politik, Zielen, EnPIs, operativen Kontrollen und M&V, Details bei der ISO.
  • Die EU‑Energieeffizienzrichtlinie 2023/1791 verlangt stärkere Einsparstrukturen und Monitoring, nationale Umsetzungen, in Deutschland das Energieeffizienzgesetz, definieren Schwellen und Pflichten.
  • Wer kurzfristig startet, sollte Dokumente und Nachweise von Tag 1 sauber versionieren, das senkt späteren Auditaufwand erheblich. Ein vertiefter, auditfester Aufbau findet sich im BVGE‑Leitfaden Aufbau eines Energiemanagementsystems.

Tools und Betrieb: pragmatisch statt perfektionistisch

Starten Sie mit vorhandenen IT‑Ressourcen und ergänzen Sie zielgerichtet. Für Visualisierung, Dashboards, Alarme und einfache Steuerlogik eignen sich erprobte Open‑Source‑Bausteine, die schnell einsatzfähig sind und die Gesamtkosten kontrollierbar halten. Ein praxisbewährter Stack und Sicherheitsaspekte sind im Artikel Open‑Source‑Energiemanagement: Vorteile und Einsatz beschrieben.

Häufige Fehler vermeiden

  • Zu spät Daten sichern, Zugänge zu Netzbetreiberportalen und Lieferanten fehlen, dadurch Zeitverlust.
  • Maßnahmen ohne Baseline, Einsparungen sind später nicht belegbar.
  • Fokus nur auf kWh, die kW‑Komponente und Spitzenlasten bleiben unberücksichtigt.
  • Komplexe Software vor Prozesse, teure Lizenzen ohne tägliche Nutzung.
  • Kein klarer Owner je Maßnahme, Prioritäten verschwimmen im Tagesgeschäft.
  • Beschaffung und Betrieb getrennt betrachten, Synergien und Risiken bleiben liegen.

Wie der BVGE Sie unterstützt

Der BVGE e. V. vertritt gewerbliche Energienutzer in Deutschland. Über die BVGE Consulting GmbH erhalten Unternehmen jeder Größe unabhängige Strom‑ und Gasbeschaffung, Full‑Service‑Energiemanagement und Zugriff auf ein Energie‑Expertise‑Center. Unsere Schwerpunkte sind der schnelle Aufbau belastbarer Strukturen, professionelle Beschaffung und operative Exzellenz, damit Sie Kosten senken, Risiken reduzieren und Vorgaben sicher erfüllen.

Wenn Sie jetzt starten wollen, empfehlen wir diese Reihenfolge:

  • Kick‑off mit Datencheck und Kurzdiagnose Ihres Lastprofils.
  • 30‑Tage‑Sprint mit Messplan, KPI‑Set und Lastmanagement.
  • 90‑Tage‑Plan zur Verankerung, inklusive Beschaffungs‑ und Compliance‑Check.

Weiterführende Beiträge für Ihren nächsten Schritt:

Sie möchten die Checkliste gemeinsam umsetzen oder brauchen kurzfristig Unterstützung bei Datenzugang, Messkonzept oder Lastmanagement, dann sprechen Sie uns an. Der BVGE hilft beim Einstieg, bei der Beschaffung und beim laufenden Betrieb, damit Energiemanagement schnell Wirkung zeigt und zuverlässig funktioniert.

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