Happy Birthday »Repower EU«

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Das hat sich offenbar auch die EU-Kommission gedacht: Anlässlich des zweiten Geburtstags von „Repower EU“ hat sie den Mitgliedstaaten nämlich schnell noch eine verstärkte Unterstützung beim Ausbau erneuerbarer Energien zugesagt. 

Wir erinnern uns: Im Mai 2022 stellte die Kommission ihren sogenannten Repower-EU-Plan vor, durch den die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert und der Übergang zu grüner Energie beschleunigt werden sollten. Um die Versorgung mit Erdgas aus Russland bis 2027 schrittweise einzustellen, seien – so hieß es damals – zusätzliche Investitionen des öffentlichen und privaten Sektors in Höhe von 210 Milliarden Euro erforderlich.

Allerdings kehrte die Kommission dabei völlig unter den Teppich, dass die Energiekrise bereits 2021 begonnen hatte: Nicht zuletzt als Folge des 2020 vereinbarten »Green Deal«, durch den Europa bis 2050 in den ersten klimaneutralen Kontinent der Welt transformiert werden soll. 

Es war ja auch viel praktischer, die Schuld an der Energiekrise allein der Invasion Putins in die Ukraine zuzuschreiben statt der eigenen Politik. So konnte die Bevölkerung leichter auf Energieeinsparungen eingeschworen werden, und manch ein EU-Bürger war tatsächlich stolz darauf, fortan kalt zu duschen und die Wohnungstemperatur zu drosseln. 

Zum Glück verlief der Winter 2022/2023 mild, und die Kommission musste nicht zum Äußersten greifen. Denn der »Europäische Plan zur Verringerung der Gasnachfrage« sieht durchaus die Möglichkeit vor, einen EU-Alarm auszulösen, der allen Mitgliedstaaten eine verbindliche Senkung des Gasverbrauchs auferlegen würde.

Laut »Repower EU« sollte der Gasverbrauch sowieso innerhalb von zwei Jahren um 15 Prozent verringert werden. Und wie es sich für die ambitionierte EU gehört, wurde dieses Ziel nicht nur erreicht, sondern die Planvorgabe wurde sogar übererfüllt: Zwischen August 2022 und März 2024 ging die Erdgasnachfrage nämlich um ganze 18 Prozent zurück. Doch ein Ende ist nicht in Sicht. So wurde in diesem Frühjahr eine Empfehlung des Rates zur Verringerung der Gasnachfrage angenommen, in der die EU-Länder aufgefordert werden, ihren Gasverbrauch bis Ende März 2025 abermals deutlich zu senken.

Nun legte die EU-Kommission also kurz vor Torschluss noch einmal nach: Zur weiteren Reduzierung der Importe von russischem Gas und zur Förderung der industriellen Dekarbonisierung sollen erneuerbare Energien »schneller ausgerollt« und diesbezügliche Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Selbstverständlich fordern die EU-Bürokraten dafür auch eine angemessene Personalausstattung der Genehmigungsbehörden, und die EU-Staaten müssen bis spätestens November 2025 ein vollständig digitales Genehmigungsverfahren einführen. Galt 2018 noch die Richtlinie, dass der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch der EU im Jahr 2030 mindestens 32 Prozent betragen muss, wurde der Anteil jetzt auf möglichst 45 Prozent, mindestens aber auf 42,5 Prozent hochgestuft.

Bis Mai 2025 müssen die einzelnen Länder daher in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet eine Kartierung von Flächen durchführen, die sich für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie eignen. Dazu zählen neben den Landflächen auch Meere und Binnengewässer. Und bis Februar 2026 müssen sie Beschleunigungsgebiete für regenerative Energien ausweisen, die auch Dächer und Fassaden von Gebäuden, Parkplätze oder Abfalldeponien umfassen können. Letztlich soll das gesamte Gebiet der EU digital registriert werden, um mögliche Standorte für entsprechende Anlagen zu ermitteln. Wofür diese erhobenen Daten sonst noch einmal verwendet werden könnten, bleibt der Fantasie der EU-Bürger überlassen.

Insgesamt sollen Areale, in denen erneuerbare Energien nicht ausgebaut werden dürfen, auf ein Minimum beschränkt werden. Außerdem startete die EU-Kommission eine Europäische Koalition zur Finanzierung der Energieeffizienz, um private Investitionen zu beschleunigen, sowie eine Energieplattform zur europaweiten Koordinierung etwa der Gaseinkäufe. Böse Zungen würden hier von zentraler Planwirtschaft sprechen. Mit der Verschärfung ihrer »Repower EU«-Vorgaben hat die Kommission von der Leyen jedenfalls ihrer Politik der wohlstandsvernichtenden Deindustrialisierung auf den letzten Metern ihrer Amtszeit noch einmal eins draufgesetzt.

Diesen Kontrafunk-Kommentar von Martina Binnig, auch als Audio-Podcast, finden Sie hier: KONTRAFUNK – Kontrafunk aktuell vom 6. Juni 2024

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Abteilungsleiter Business Support